Sonntag, 08. Mai 2005, 01:00 Uhr
Pieter Wispelwey, Violoncello, Dejan Lazic, Klavier. Bodenseefestival
Bach, Beethoven, Britten, Schostakowitsch.
Die Reihe Junge Cellisten des diesjährigen Internationalen Bodenseefestivals ist den sechs Suiten für Violoncello solo von J. S. Bach gewidmet und sechs jungen Ausnahmekönnern auf dem Instrument.
Pieter Wispelwey gebührt mit Bachs letzter Cellosuite der krönende Abschluss der diesjährigen Solistenreihe.
Wispelwey ist einer der weltweit führenden jüngeren Cellisten und hat sich insbesondere mit der authentischen Aufführungspraxis barocker Werke, und der barocken Spielweise einen Namen geschaffen.
In unserem Rezital wird er ein «modernes» Instrument spielen, welches uns ermöglicht, einen umfassenden Einblick in seine Ausdrucksfähigkeiten bis zur Moderne zu erhalten. Denn das Programm spannt mit Britten und Schostakowitsch einen Bogen vom Meister des Barock zu zwei Meistern des letzten Jahrhunderts.
Eine einmalige Gelegenheit, einen der grossen Künstler der Gegenwart in einem intimen Rahmen erleben, der dieser Gattung Musik besonders angemessen ist!
Johann Sebastian Bach:
Suite für Violoncello solo Nr. 6 D-Dur BWV 1012
Ludwig van Beethoven:
12 Variationen über Ein Mädchen oder Weibchen op. 66
7 Variationen über Bei Männern, welche Liebe fühlen WoO 46
Benjamin Britten:
Sonate in C für Violoncello und Klavier op. 65
Dmitrij Schostakowitsch:
Sonate für Violoncello und Klavier d-Moll op. 40
Pieter Wispelwey, Violoncello
Dejan Lazic, Klavier
Pieter Wispelwey
Das Cellospiel des Holländers Pieter Wispelwey zeichnet sich – neben einer ganz außergewöhnlichen technischen Meisterschaft – durch seine Neudeutung vieler Werke und einen sehr persönlichen Interpretationsansatz aus. Als einer der ersten Cellisten seiner Generation widmet er sich sowohl der historischen Aufführungspraxis und dem Spiel auf historischen Instrumenten als auch der authentischen Interpretation der jüngsten Celloliteratur. Sein Repertoire reicht dementsprechend von Gabrieli und Antoni bis zu Kagel und Schnittke. Pieter Wispelweys ungewöhnliche künstlerische Vielseitigkeit wurzelt in den umfangreichen Studien, die er bei Dicky Boeke und Anner Bylsma in Amsterdam und später bei Paul Katz in Rochester/USA und William Pleeth in England betrieb. Pieter Wispelwey wurde mit bedeutenden Preisen ausgezeichnet: 1985 gewann er den Elisabeth-Everts-Preis, der im Zwei-Jahre-Turnus an talentierte und vielversprechende niederländische Musiker vergeben wird, 1992 erhielt er als erster und bislang einziger Cellist den Niederländischen Musikpreis, 1997 zudem den belgischen Pressepreis als Musiker des Jahres. Überdies begleiten zahlreiche Schallplatten-Preise seine CD-Veröffentlichungen. Pieter Wispelweys künstlerische Aktivitäten umspannen den ganzen Erdball. Angefangen im berühmten Concertgebouw in Amsterdam führten ihn Konzerte als Solist und Interpret barocker, klassisch-romantischer und moderner Werke in die Metropolen der Welt: Rom, Mailand, Brüssel, Paris, London, Boston, New York, Montreal, Tokyo, Melbourne, Mexiko-City, Wien, Salzburg, München, Berlin u.v.a. Auch als Solist ist Pieter Wispelwey weltweit gefragt: in jüngerer Zeit konzertierte er mit dem Orchestre de Champs Elysées unter Philippe Herreweghe, Rotterdamer Philharmonikern (Kent Nagano), Camerata Academica Salzburg (Roger Norrington), Königliche Philharmonie Flandern (Philippe Herreweghe), Mahler Chamber Orchestra (Marc Minkowski), Russisches Nationalorchester und St. Petersburger Philharmoniker. In naher Zukunft folgen Konzerte mit dem der BBC Symphony, dem Hallè Orchestra, Japan Philharmonic, Prager Symphonikern und dem Gewandhausorchester Leipzig (unter Herbert Blomstedt). Weitere Glanzlichter sind Reengagements zu den Festspielen in Edinburgh und New York (Mostly Mozart). Seine zahlreichen beim holländischen Label Channel Classics erschienenen CDs, die alle auf den Instrumenten der jeweiligen Epoche eingespielt wurden, erhielten weltweit außerordentliche Kritiken – allein sieben CDs wurden mit internationalen Schallplattenpreisen ausgezeichnet. Seine Neu-Einspielung der sechs Solosuiten von Bach (1998) erhielt gleich drei Preise: den französischen Schallplattenpreis Diapason dor, den Preis choc de la musique der Fachzeitschrift Le monde de la musique und den Editors choice des renommierten englischen Musikmagazins Gramophone. Die darauf folgende Einspielung der Cellokonzerte von Elgar und Lutoslawski erhielt wieder den choc de la musique. Der Schweizer Rundfunksender DRS 2 setzte Wispelweys Elgar unter allen bekannten Aufnahmen auf Platz 1. Auch seine mit dem Australian Chamber Orchestra aufgenommene CD mit dem 1. Cellokonzert von Schostakowisch (und Kodalys Solo-Sonate) wird von mehreren Kritikern als Referenzeinspielung gepriesen. Gramophone Magazine schrieb dazu: a musician through and through, someone you can always trust to get the message right. Jüngste Einspielungen enthalten transkribierte Violinsonaten von Brahms und Franck (aufgenommen mit Paolo Giacometti) sowie Cellokonzerte der Romantik, eingespielt mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen.
Dejan Lazic
wurde 1977 in Zagreb, Kroatien geboren und begann sein Klavierstudium im Alter von sieben Jahren. Mit neun begann er mit dem Klarinettenstudium, und ein Jahr später entstanden bereits seine erste Kompositionen. Mit beiden Instrumenten gewann er erste Preise bei verschiedenen internationalen Wettbewerben. Die Begegnung mit den ungarischen Pianisten Zoltan Kocsis und Imre Rohmann beim Bartok Festival in Szombathely, Ungarn, wurde ausschlagend für seinen musikalischen Werdegang. Er wechselte nach Salzburg und setzte am dortigen Mozarteum sein Studium fort.
Dejan Lazic konzertierte als Solist, u.a. mit dem Münchner Kammerorchester unter Christoph Poppen, in den bedeutendsten europäischen Konzertsälen, und gastierte bei renommierten Festivals. Im Jahr 2002 hatte er sein Debüt bei der Frick-Collection in New York, und ein Jahr danach in Teatro Colon, Buenos Aires. Im 2005 wird er in der Wigmore Hall, London debütieren.
Zahlreiche Fernseh- und Rundfunkaufnahmen liegen von ihm vor. Im Jahr 1990 spielte Dejan Lazic – damals erst 13 Jahre alt – gemeinsam mit den berühmten Zagreber Solisten seine erste CD, mit dem Klavier- und Klarinettenkonzert von Mozart, ein, die von der Presse und Publikum überaus positiv aufgenommen wurde. Seit 1998 ist er exklusiv bei Channel Classics unter Vertrag, wo er schon jetzt auf fünf Solo- und zwei Duo-CDs mit dem Cellisten Pieter Wispelwey zurück blicken kann. Mit Pieter Wispelwex verbindet ihn eine enge musikalische Zusammenarbeit. Mit ihm konzertierte er u.a. beim Menuhin-Festival in Gstaad, in Paris 2006 werden die beiden Künstler zusammen bei Toujours Mozart auftreten.
Auch das kompositorische Talent von Dejan Lazic fand im internationalen Geschehen Beachtung: seine Conversazioni für Klarinette und Bratsche wurde bereits auf mehreren Festivals aufgeführt; sein Streichquartett op.9 wurde für die Gala anlässlich des 70. Geburtstags von Mstislav Rostropowitsch komponiert und seine Chaconne für Violoncello solo gelangte durch keinen Geringeren als Pieter Wispelwey zur Uraufführung.
Das Programm setzt sich einerseits aus der 6. Solosuite von J.S.Bach und Beethoven zusammen und andererseits aus Sonaten von Britten und Shostakowitsch, welche sie auf CD einspielten. Nachfolgend Auszüge aus einer CD-Kritik:
Dimitri Schostakowitsch, Sergej Prokofjew, Benjamin Britten
Sonaten für Cello und Piano
Pieter Wispelwey, Dejan Lazic
Welch ein begnadeter Cellist! Welch ein vollkommenes Zusammenspiel! Welch eine grandiose Vermittlung dieser nicht ganz leicht zu verdauenden Cellosonaten aus dem 20. Jahrhundert! Nur Superlative fallen einem ein zur neusten CD des Niederländers Pieter Wispelwey, der auch in der Vergangenheit schon als Solist und als Kammermusikpartner hellauf zu begeistern verstand. Diesmal hat er sich Sonaten für Cello und Klavier aus dem 20. Jahrhunderts vorgenommen, und was seine im Beiheft abgedruckten eigenwilligen Assoziationen zu jedem der drei Stücke vermuten lassen, bestätigt sich beim Hören: Er vermag jedem der drei Stücke ein ganz eigenes, prägnantes Gesicht zu verleihen. Mit vollem, romantischem Ton brilliert er in Prokofjews opulentem Stück, das in ihm das Bild eines Rolls Royce auf dem russischen Land erweckt. Getriebener, spröder und aggressiver agiert er in Schostakowitschs früher Sonate in d-Moll op. 40; etwas kühler und glatter, dabei aber immer zum dramatischen Ausbrechen bereit, geht er Brittens fünfsätzige Sonate in C-Dur op. 65 an. Mit dem brillanten Pianisten Dejan Lazic entsteht in allen drei Fällen ein äußerst intensives Miteinander; die Interpretation ist bis ins Detail durchdacht, ohne jedoch jemals an spontaner Frische zu verlieren: Es handelt sich um ein Nachschöpfen im besten Sinne, bei dem die jeweilige Intention des Komponisten dem Hörer in unmittelbar einleuchtender Weise zu Gehör gebracht wird.
Michael Wersin 23.8.2003