Samstag, 23. Juli 2005, 01:00 Uhr
Brasilien – zwischen Kammermusik und Bossa Nova.
Botter Maio, de Oliveira, Ricarte.
Kultureller Schmelztiegel wohl auf kein Land trifft diese Bezeichnung mehr zu als auf Brasilien. Die brasilianische Kultur ist erfüllt von einer ausserordentlich lebendigen Vielfalt an Musiktraditionen, die sich in immer neuen Facetten weiter entwickelt.
So strahlen auch durch die komponierte zeitgenössische Musik verschiedene Fäden und Farben dieses kulturellen Gewebes: Choros, Modinha, Maxixe und Música Popular Brasileira ein vibrierendes Geflecht schwarzer, europäischer und amerikanisch-indianischer Traditionen. Rodrigo Botter Maio, gefragter Saxofonist der Zürcher Jazzszene, Julio Ricarté, Klavier und Edmauro de Oliveira, Gitarre führen hier ihr instrumentales und kompositorisches Können und ihre Liebe zur musikalischen Heimat auf aussergewöhnliche Weise zusammen.
Júlio Ricarte (Komponist, Klavier und Gesang)
Julio Ricarte hat sein klassisches Klavierstudium mit fünf Jahren im Conservatório Dramático e Musical de São Paulo (São Paulo-Brasilien) begonnen. Weiter studierte er mit Wilson Cúria, Osmar Barutti und Antônio Bezzan. Lange trat er mit der CAMERAMÚSICA de Taubaté (SP) auf. Er ist der Direktor und Lehrer der Schule Conservatório Dramático e Musical Maestro Antônio Carlos Jobim (klassisch und Popular Musik).
Er gewann als Komponist mehrere Preise an Festivals. Sein Werk umfasst hunderte Werke für verschiedenen Formationen: Duos, Streichquartett, Messe, Chormusik, Soundtrack für Theater.
Zwei Eigene Independent CDs: Crisália (1980) und Nos Astros (2000). Im gleichen Jahr gab er zusammen mit dem Guitarristen Edmauro de Oliveira mehrere Konzerte in Frankreich.
Rodrigo Botter Maio (Komponist, Sax und Querflöte)
wurde am 1967 im Campinas, Brasilien geboren.
Studium an der Hochschule für Musik in Graz, Oesterreich (1987/1989) und am «Berklee College of Music» in Boston, USA (1990/1991).
Lebt seit 1987 in Europa, mit Aufenthalten in Oesterreich, Italien, USA und der Schweiz.
Bandleader von fünf verschiedenen Projekten: JAZZ VIA BRASIL GROUP, RETURN OF THE BOSSA NOVA, GAFIEIRA ALPINA, REGIONAL DE CHORO BRASILEIRO und RODRIGO BOTTER MAIO & STRING QUARTET.
Spielte mit Gilberto Gil, Hermeto Pascoal, Johnny Alf, Oswaldinho do Acordeon, Alaíde Costa, Toninho Horta, Filó Machado, Roberto Menescal, Margareth Menezes, Beth Carvalho, Ana Caram, Chico César, Nelson Ayres Trio, Ray Mantilla, Jay Clayton, Hendrik Meurkens, Cláudio Roditi, Alfredo Rodriguez, Alfredo de la Fé, Nando Lauria, Jovino Santos Neto, Ricardo und Rogério Botter Maio, Bocato & Grupo, Rafael Lima, Rosana & Zélia, Zürich Jazz Orchestra, Swiss Eruption Big Band, Orquestra São Paulo, Tangavan Latin Band, etc.
Zahlreiche Konzerte an Festivals und Jazz Clubs in der Schweiz und im Ausland: Festival Jazz Lugano, Jazzfestival Schaffhausen, Montreux Jazz Festival, Viva Brasil 92 (Belgien), 40. Europäisches Musik Festival (Luxemburg), 5th Internatinal Music Festival (Boston, USA), Drugagodba Music Fetival (Slovenien), Indonesien Jazz Festival, Widder Bar und Widder Saal, Moods Jazzclub Zurich, Birds Eye Jazzclub Basel, Jazz-Clubs in Europa, den USA, Brasilien, Ghana und Indonesien.
Über 30 CD-Aufnahmen mit diversen Gruppen, sowie sechs CD`s unter eigenen Namen und ein eigenes didaktisches Songbook Vol. 1. Gibt Privatunterricht und führt regelmässig Workshops für Brasilianische Musik durch.
Edmauro de Oliveira (Gitarrist)
Edmauro de Oliveira wurde 1969 in Guaratinguetà, in Brasilien geboren. Er studierte Musik mit Hauptfach Gitarre an der Universität von Sao Paulo (USP). Edmauro de Oliveira ist Gewinner zahlreicher Wettbewerbe & Preise. So war er 1998 Stipendiat an den Meisterkursen von Santiago de Compostela in Spanien, im selben Jahr Gewinner des Förderpreises vom Projeto Nascente, USP. Von 1998 – 2000 hatte er einen Lehrauftrag am USP. Auch in Jahr 1998 hat er ein Duo CD aufgenommen mit Paulo Cesar Pasqual mit Werke von Paganini.
Im Jahr 2000 wagte er den Schritt nach Europa, wo er viele Auftritte in Frankreich und der Schweiz geben durfte. 2001 kehrte er anlässlich einer weiteren Tournee in die Schweiz zurück und begann noch ein Aufbaustudium an der Hochschule für Musik Winterthur / Zürich in der Klasse von Jury Clormann. 2002 folgten weitere Konzerte in der Schweiz, Holland & Deutschland, u.a. mit dem Orchester «Il Mosaico». Im Mai 2002 geht er mit demselben Orchester auf Tournee nach Ungarn und Kroatien. Nebst seiner Tätigkeiten als Solist und mit ein Duo mit Martin Huber ist Edmauro de Oliveira Mitglied des Regional de Choro Brasileiro mit Rodrigo Botter Maio.
Programm
Júlio Ricarti:
– Solidão
– Nos astros
– Sonhos
– Flauteando
– Ensaio e desvario
– Um choro antigo
Rodrigo Botter Maio:
– Como nos velhos tempos
– Minha rosa perfumada (Modinha)
– Choro Verde-Amarelo
– Bailarina
– Reencontro dos Ventos
– Um gostinho de Brasil
Andere Komponisten:
– Bachianas Brasileiras (Villa-Lobos)
– Ingênuo (Pixinguinha)
– Se ela perguntar (Dilermando Reis)
– Tempo de criança (Dilermando Reis)
– Flamengo (Bofiglio de Oliveira)
– Sons de Carrilhões (João Pernambuco)
– Noites Cariocas (Jacob do Bandolim)
Brasilianische Musikstile:
Der Choro
Der Choro entstand aus einem kulturellen Widerstreit zwischen Weinen und Chorus (lat. Für Chor). Anfänglich bezeichnete das Wort eine musikalische Gruppierung sowie ihre Konzerte, aber in der Zeit um 1910 gebrauchte man diese Bezeichnung für einen gefestigten Stil. Er entstand um 1870 in Rio de Janeiro, aus der Vereinigung des Lundu (afrikanisch beeinflusster Rhythmus) mit europäischen Stilen. Ein Pionier des Choro war der hervorragende Flötist Joaquim Antonio da Silva Callado, Mulatte und Frauenheld, Autor der bekanntesten Polka A flor amorosa (Die verliebte Blume). Einer der grössten Choro-Komponisten war Pixinginha, der als einer mit dem besten Bezug zur Geschichte der MPB gilt und respektiert wurde von Musikern des Kalibers eines Tom Jobim, Chico Buarque und Heitor Villa-Lobos.
Die Modinha
Dieser Musikstil war am meisten en vogue in den Strassen und Salons des 19. Jahrhunderts. Modinha wie auch Chorinho waren etwas geringschätzige Begriffe zur Bezeichnung der gängigen Modetrends in der Musik. Im Mondenschein und unter den Strassenlaternen begeisterten Sänger wie z.B. Catulo da Paixão Cearense die Fräulein und Mulatinnen in Rio de Janeiro mit ihren melodiösen Serenaden, begleitet von Choro-Musikern.
Der Maxixe
Um die Jahrhundertwende war der Maxixe der am meisten getanzte und gesungene Rhythmus in Rio de Janeiro. Der Name ist auf eine in einfachen Hinterhöfen wachsende Pflanze zurück zu führen. Laut dem Historiker José Ramos Tinhorão war es der Niedergang der Klavierpolkas und der Choro-Musik (auf der Basis von Flöte, Gitarre und einem heute nicht mehr gebrauchten Blasinstrument), der die Neuheit des Maxixe einläuteten.
Der Bossa Nova
Diese musikalische Bewegung entstand im südlichen Teil von Rio de Janeiro Ende der 50er Jahre. Das Trio João Gilberto, Rhythmus, Vinicius de Moraes, Text, und Tom Jobim, Harmonie, gilt als Begründer dieser Stilrichtung. Die Bossa-Nova-Musiker inspirierten sich an den Schönheiten der Natur und am Thema der Herren, der Herrschenden. Um dem Klima des gesungenen Sambas zu entfliehen, begründeten sie eine neue musikalische Ästhetik, die eine umfassendere Verbindung zwischen Interpret und Instrument ausdrückt und in der auf eine vertrauliche Art gesungen wird. Die neuen Kompositionen sind zudem vom Jazz beeinflusst. Die Perkussionsinstrumente und das Cavaquinho (Ukulele?), beide für den Samba und den Choro charakteristisch, fallen bei diesem neuen Stil weg. Mittlerweile wurde die Gitarre zum beliebtesten Instrument der 60er Jahre und zwar in allen sozialen Schichten.
MPB Música popular brasileira
Im Unterschied zur Volksmusik, die das Ergebnis kollektiven mündlich überlieferten Schaffens ist, oder einer eher gelehrten Musik der Konservatorien und Akademien, entstand die MPB (= Populärmusik) gleichzeitig mit dem Wachstum der Städte. Sie charakterisiert sich durch die Einfachheit ihrer Kompositionen, transponierbar in alle Stimmlagen und geeignet für jeden Tonträger und Aufzeichnung. Einflüsse der Volksmusik und der gelehrten Musik sind hörbar. Das Kürzel MPB ist ein Synonym für eine sehr populäre Musikströmung der 60er Jahre. MPB folgte auf den Bossa Nova, auf die Protestsongs und den Tropicalismo.
Mai 2005 / Edmauro de Oliveira (übersetzt: Verena Schnetzer)