Freitag, 24. November 2006, 23:59 Uhr

Bartok Liederzyklen. ÖT DAL op. 15 und op. 16

Mona Somm, Gesang, Georges Starobinski Klavier. Gastveranstaltung

Die Ostschweizer Mezzosopranistin Mona Somm hat vor Jahresfrist Alfons Zwickers Werk «Landschaft aus Schreien» auf Schloss Wartegg zu einer ausserordentlich intensiven und berührenden Interpretation verholfen. Die international ausgebildete und tätige Interpretin, widmet ihre Rezitale oft nachhaltigen Raritäten auf ihren Bartok darf man also gespannt sein.
Begleitet wird sie vom Genfer Pianisten und Musikwissenschaftler Georges Starobinksi, der sich u.a. als Liedbegleiter von Brigitte Fassbaender, Irène Friedli, Stephan Genz, Philippe Huttenlocher, Shigeo Ishino und Urszula Kryger einen ausgezeichneten Namen geschaffen hat.

BÉLA BARTÓK LIEDER

ÖT DAL – FÜNF LIEDER OP. 15

I AZ ÉN SZERELMEM – MEINE LIEBE
II NYÀR – SOMMER
III A VÁGYAK ÉJJELE – NACHT DER SEHNSUCHT
IV SZÍNES ÁLOMBAN – IN EINEM LICHTEN TRAUM.
V ITT LENT A VÖLGYBEN – IM TALE

ÖT DAL – FÜNF LIEDER OP. 16

I HÁROM ÕSZI KÖNNYCSEPP – HERBSTTRÄNEN
II AZ ÕSZI LÁRMA – HERBSTGERÄUSCHE
III AZ ÁGYAM HÍVOGAT – MEIN BETT RUFT
IV EGYEDÜL A TENGERREL – MIT DEM MEERE ALLEIN
V NEM MEHETEK HOZZÁD – ICH KANN NICHT ZU DIR

Zum Programm
Die zwei Liederzyklen sind in den Jahren 1916/17 entstanden, das heisst, in einer Zeit wo sich Bartóks Musiksprache zu einer neuen Reife entwickelt hat.
In diesem Stil werden kurz darauf seine beiden Bühnenkompositionen, der holzgeschnitzte Prinz und der wunderbare Mandarin, seine beiden Violinsonaten sowie wichtige Klavierwerke (Opus 18 und 20) komponiert.
Charakteristisch für seine Musiksprache in jenen Jahren ist einerseits eine unmittelbare Intensität des Ausdrucks und andererseits eine neue Komplexität des harmonischen und rhythmischen Tonsatzes. Folklorismus und Modernität haben eine ideale Synthese erreicht.
Das vorliegende Programm wird im Rahmen der Veranstaltung, Bela Bartók la décennie 1915-1925, colloque de musicologie, masterclass et concert, zum 125. Jubiläum des Komponisten am 30. November 2006 in Genf aufgeführt.

Zu den Liedern
Isolation und unablässiges Arbeiten hatten auf Bartók eine ähnliche Wirkung wie auf Beethoven. Sie führten zur Taubheit.
Der Außenwelt gegenüber entfremdet, in sich versunken, gelangte er bis zum tiefsten Abgrund der Seele. Er lernte jenes Leiden kennen, dass die Dichter zu unerhört Schönem inspiriert, während es ihr Leben verzehrt. In jener Zeit fasst er einige Gedichte Adys in kongeniale Musik (Opus 16).
In Bartóks Lebenswerk gehört die Gattung des Klavier- und Orchesterbegleiteten Liedes zu den weniger bedeutungsvollen Kompositionen. Dies bezieht sich jedoch nicht auf das Niveau der Werke, sondern verweist einerseits auf ihre kleine Anzahl, andererseits auf die Tatsache, dass der Komponist seine Zuhörer auf diesem Gebiet mit weniger Neuigkeiten und typischen individuellen Lösungen überraschen konnte. Seine Arbeiten ohne Opusnummer vom Genre des herkömmlichen klavierbegleiteten Liedes sind sozusagen Stilübungen; später spürt man den Einfluss des volkstümlichen Kunstliedes. Den starken Eindruck der Volksmusik können wir in allen seinen Werken registrieren. Die Liederzyklen Opus 15 und 16 beleuchten das persönliche Portrait des Komponisten und dienen der Orientierung zwischen Werken Bartóks von epochaler Bedeutung.

Fünf Lieder Op. 15
Diese erste Serie Lieder gewährt Einblick in das Privatleben Bartóks. Schwer formte sich das Opus zu einem Ganzen; die gegenwärtige Ordnung der Lieder ist das Resultat mehrerer Abänderungen durch Bartók. Auch der Gedanke von einem Zyklus aus drei Liedern beschäftigte ihn. Im Druck erschienen die Lieder erst nach seinem Tode. Kodály instrumentierte diese Lieder im Jahr 1961 für Orchester.

Fünf Lieder Op. 16
Bartók liebte die Gedichte Endre Adys und kannte sie gut. Auf die musikalischen Lehren aus der Bartókschen Vertonung der Ady-Gedichte verwies József Ujfalussy: Die musikalische Wiedergabe der ausserordentlichen individuellen, starken poetischen Sprache Adys schafft ein zweischichtiges Gewebe. Einander durchbrechend und abwechselnd erklingen die Zeilen des Gedichtes in recht biegsamen, frei artikulierten
Abschnitten. Sorgsam achten sie auf die musikalische Wiedergabe der Gedichtzeilen, die den sich senkenden, am Ende unbetonten Phrasen Adys entspricht. Auf anderer Ebene reflektiert der Komponist mit der Klavierbegleitung den gedanklichemotionalen Charakter des Verses. Diese Methode setzt weniger die Liedkunst Schuberts als eher jene Schumanns, Liszts oder Debussys fort.

Quellennachweis: Katalin Fittler

Mona Somm stammt aus der Ostschweiz und begann ihre Studien in Luzern und Zürich. Ihre Ausbildung führte sie in die Vereinigten Staaten nach New York an die Manhatten School of Music. Weitere Studien folgten in Zürich und Bern. Sie belegte Meisterkurse bei Ernst Haefliger und Brigitte Ballays. Seit mehr als fünf Jahren arbeitet Mona Somm in Basel mit der Opernsängerin Eva Krasznai-Gombos. Mit dem Studienleiter des Theater Basel, Rainer Altdorfer und der renommierten Pianistin Janine Reiss aus Paris hat die Sängerin intensiv das Opernrepertoire erarbeitet. Mona Somm war Stipendiatin des Richard Wagner Verbandes Freiburg im Breisgau und erhielt vom Kanton Thurgau im Jahr 2003 den Förderbeitrag für Kulturschaffende.
Im Opernfach interpretierte sie Miss Peachum (Dreigroschenoper) am Volkshaus Zürich und Marcellina (Le Nozze die Figaro) am Opernstudio Genf. 2004 sang Mona Somm an den Pfingstfestspielen Baden Baden in Verdis Rigoletto unter Thomas Hengelbrock und an der Opéra Fribourg die Baronessa Aspasia in Rossinis Oper la Pietra dell Parogone unter der Leitung von Laurent Gendre. Ihr Repertoire umfasst zudem Partien wie Mozarts Sextus, Santuzza aus der Oper Cavalleria rusticana von Pietro Mascagni, Venus in der Pariser Fassung von Richard Wagners Tannhäuser, sowie die Verdipartien, Eboli, Lady Mcbeth und Amneris .
Mit Raritäten von Händel und Liedprogramen war die Sängerin immer wieder in der deutschen Schweiz zu hören. Ein Liederabend mit der Uraufführung Landschaft aus Schreien von Alfons Karl Zwicker, Liedvertonungen Goethes im Laufe der Zeit (Schoeck, Loewe, Wolf, Schubert, Zeltner und Verdi) und der Kammermusikabend Compositions de Femmes mit Werken von Rosy Wertheim und Lili Boulanger gehören zu den letzten Konzertprogrammen.

Georges Starobinski, Pianist und Musikwissenschaftler, studierte am Conservatoire de musique de Genève Klavier, Kammermusik und Orchesterleitung. An der Hochschule für Musik München erhielt er bei Prof. Hermann Michael das Meisterklassendiplom für Orchesterleitung und war freier Mitarbeiter bei Prof. Brigitte Fassbaender und Helmut Deutsch im Fach Liedbegleitung. Er besuchte diverse Meisterkurse im Fachbereich Kammermusik, Klavier und Chorleitung.
Die Akademische Ausbildung setzte der Pianist an der Universität in Genf fort. Lizenziat in Musikwissenschaft über Schumann und Dr. Dissertation (1996) über Alban Berg.
Seine Wichtigsten Anstellungen umfassen die Arbeit am Theater Basel (1987-1990) als Korrepetitor mit Dirigierverpflichtung, die Assistenz und Oberassistenz an der Universität in Genf (1990-2004) und seit 2004 die Professur an der Universität in Lausanne.
Dass Georges Starobinski ein ausgezeichneter und begehrter Liedbegleiter ist, wird ersichtlich an der Vielzahl von Konzerten und jahrelanger Zusammenarbeit mit Sängern von internationalem Ruf wie u.a. Brigitte Fassbaender, Irène Friedli, Stephan Genz, Philippe Huttenlocher, Shigeo Ishino, Urszula Kryger, Stephan MacLeod, Marcus Niedermeyr und Mona Somm.